Das LFS 2013 lenkt Blick auf die kommunikativen Prozesse in der Kita
Zwei Aspekte sind in der einen oder anderen Form in allen Beiträgen zum 2. Leipziger Frühjahrssymposium deutlich geworden:
In die Thematik des Symposiums „Fokus: Sprachförderung“ führte Prof. Timm Albers ein, indem er mit heiteren Anekdoten untersetzt auf die Bedeutung der Fachkraft-Kind-Interaktion, der Kind-Kind-Interaktion, der Literacy-Arbeit und des Geschichtenerzählens hinwies. Prof. Hermann Schöler thematisierte die Frage, ob und wie denn in einem sich fortwährend ändernden Sprachgebrauch festzustellen sei, ob ein Sprachförderbedarf vorliege. Außerdem führe die Orientierung an der Sozialnorm immer zu 16% Kindern, deren Leistung mehr als eine Standardabweichung unter dem Durchschnitt liegt – unabhängig vom Gesamtniveau der Stichprobe. Als kriteriale Norm sieht er - auch für mehrsprachige Kinder – die sprachlichen Anforderungen, die für den Bildungserfolg in der Grundschule notwendig sind.
In ihrem Beitrag schlüsselte Claudia Wirts vom Staatsinstitut für Frühpädagogik in München die kommunikativen Prozesse weiter auf. „Sustained shared thinking“ – also das vertiefte, gemeinsame, verbalisierte Denken habe sich in Studien als stark sprachförderlich herausgestellt. Ein Indikator dafür, dass vertiefte Dialoge stattfinden, sind die Turns, also die Anzahl der Sprecherwechsel-Perioden zu einem Thema. Videobasierte Beobachtungen zeigen, dass der Alltag in der Kita hierfür noch viel Potenzial zur Verbesserung hat. Dass solche Reflexionsprozesse auch im Rahmen der Kita selbst im Sinne einer internen Evaluation und Weiterentwicklung möglich sind, betonte Dr. Christiane Hofbauer in ihrem Vortrag. Formen kollegialer Beobachtung und die Selbsteinschätzung auf der Basis von Checklisten (am Beispiel „LiSKit“) können die methodische Basis für diese Reflexion bieten.
Evidenzbasierte Praxis eines Trainings für pädagogische Fachkräfte hinsichtlich der Gestaltung einer sprachförderlichen Situation beschrieb Dr. Anke Buschmann am Beispiel des von ihr mitentwickelten Trainingsprogramms „HIT“. Hier geht es u.a. darum, Buchvorlesesituationen so anzulegen, dass Sprechanlässe entstehen und die Fachkraft die Sprache des Kindes modellieren kann, d.h. beiläufige! Kommentare und Korrekturen vornehmen kann. Prof. Karen Schramm vom Herder-Institut der Universität Leipzig wies an vielen Transkriptausschnitten nach, wie die konversationsanalytische Methode in der Beschreibung von Erzählkreissituationen genutzt werden kann und welche Hinweise zur thematischen und methodischen Gestaltung solcher Erzählkreissituationen sich daraus ergeben.
Parallel zu den letzten beiden Vorträgen fanden Workshops statt, die ganz praktisch Fragen des Kita-Alltags im Umgang mit Kindern mit besonderen Bedürfnissen behandelten. Prof. Kerstin Popp und Dr. Anett Platte gingen von der Frage aus, was denn Verhalten von Kindern als „auffällig“ erscheinen lässt und wie Kita-Alltag und konkrete Situationen strukturiert sein können, um Verhaltensauffälligkeiten vorzubeugen. Herbert Lange stellte sein Förderkonzept SILAS für die Kita-Arbeit mit Kindern mit Down-Syndrom vor und Kathrin Kieczkowski erarbeitete mit den TeilnehmerInnen welche Herausforderungen die pädagogische Arbeit mit hörgeschädigten Kindern im Kita-Alltag bereithält und wie darauf mit technischen Hilfsmitteln und unterstützender Kommunikation reagiert werden kann.
Im Abschlussvortrag griffen Prof. Christian W. Glück und Dr. Christiane Hofbauer die Diskussionen des Tages auf und strukturierten die Verwendung des Begriffs Sprachförderung.
Zum Abschluss des Symposiums konnte durch den Referatsleiter Kindertagesbetreuung im Sächsischen Ministerium für Kultus, Herrn Arnfried Schlosser, die Gründung des "Landeskompetenzzentrums Sprachförderung in sächsischen Kindertagesstätten“ verkündet werden. Dieses in Zusammenarbeit mit der Universität Leipzig vom Institut für Sprache und Kommunikation umzusetzende Projekt wird viele von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern im Verlaufe des Tages auf Karten gesammelten Wünsche aufgreifen und Unterstützung anbieten für die (Weiter-)Entwicklung von Fortbildungen, Vernetzungsaktivitäten, Zugänglichkeit des Forschungsstandes und den Einsatz für eine verbesserte, zum Teil akademische Professionalisierung.
Auch die Rückmeldungen in den Evaluationsbögen durch die TeilnehmerInnen zeigt: Das 2. Leipziger Frühjahrssymposium hat wichtige theoretische und auch praktische Impulse gegeben für die „Professionalisierung der Sprachförderung in der Kita“.
Die Veranstaltung wurde unterstützt vom Sächsischen Ministerium für Kultus und vom Berufsbildungswerk BBW Leipzig.
Timm Albers
ist seit Oktober 2010 Juniorprofessor für frühkindliche Bildung an der PH Karlsruhe.
Zwischen 2005 und 2010 war er zuletzt als Akademischer Rat an der Leibniz Universität Hannover tätig und leitete dort das Forschungsnetzwerk Frühkindliche Bildung und Entwicklung. Als Gastprofessor der Freien Universität Bozen/Italien lehrt er seit 2009 im Studiengang Bildungswissenschaften für den Primarbereich.
Seine Schwerpunkte in Lehre und Forschung liegen in den Bereichen Inklusion in Kita und Schule, Sprachliche Bildung und Sprachförderung, sowie der interdisziplinären Frühförderung.
Anke Buschmann
studierte Psychologie in Marburg, 2001-2009 klinisch-psychologische Tätigkeit am Sozialpädiatrischen Zentrum, Universitätsklinikum Heidelberg; 2009 Gründung FRIZ |
Frühinterventionszentrum Heidelberg; 2010-2012 Vertretungsprofessur für Psychologie im Förderschwerpunkt Sprache, Pädagogische Hochschule Heidelberg;
Tätigkeitsschwerpunkte im FRIZ: Diagnostik und Beratung bei Kindern mit Entwicklungsauffälligkeiten, Elternberatung, Elterncoaching, Heidelberger Elterntraining zur
frühen Sprachförderung, Dozentin in den Bereichen Sprache und Elternarbeit; Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte
Gute sprachliche Kompetenzen sind der Schlüssel zu schulischem Erfolg und zur Integration in die Gesellschaft. Deshalb sollte eine gezielte sprachliche Förderung von Kindern mit verzögerter
Sprachentwicklung und mehrsprachig aufwachsenden Kindern so früh wie möglich beginnen. Eine große Chance bietet in diesem Zusammenhang die zunehmend frühere außerfamiliäre Betreuung in
Kinderkrippe und Kindergarten. Das „Heidelberger Interaktionstraining für pädagogisches Fachpersonal" realisiert eine alltagsintegrierte Sprachförderung von ein- und mehrsprachig
aufwachsenden Kindern mit dem Fokus auf Kinder mit geringen Sprachkompetenzen. In einem sprachbasierten Interaktionstraining wird das Fachpersonal systematisch zu einem gezielt
sprachförderlichen Verhalten angeleitet und supervidiert. Die Ergebnisse der Evaluationsstudien in Kinderkrippe und Kindergarten belegen die Effektivität dieses Programms hinsichtlich einer
Verhaltensänderung auf Ebene der ErzieherInnen und zeigen auf Seite der Kinder eine akzelerierte sprachliche Entwicklung im Vergleich zu einer Kontrollgruppe. Im Vortrag werden das Konzept
und unterschiedliche Evaluationsstudien vorgestellt.
Herrmann Schöler
ist Dipl.-Psychologe; von 1972 bis 1982 wiss. Mitarbeiter bzw. Assistent an den Universitäten Heidelberg und Mannheim; von April 1982 bis zum Ruhestand ab Oktober 2011 Professor an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, zuletzt jeweils eine halbe Professur für "Entwicklungspsychologie der frühen und mittleren Kindheit" und für "Psychologie in sonderpädagogischen Handlungsfeldern mit dem Schwerpunkt Lern- und Entwicklungsstörungen und ihre Diagnostik"; seit 1972 ein Forschungsschwerpunkt: Sprache und Schriftsprache, ihr Erwerb, ihre Diagnostik und ihre Störungen
"Alle reden von Sprachförderung" - Ein wesentlicher Punkt bleibt dabei in aller Regel unterbelichtet: Was ist bzw. wer hat überhaupt einen Sprachförderbedarf? Die unglaublich variierenden
Bedarfszahlen legen nahe, dass hierfür sehr unterschiedliche Kriterien gesetzt werden. Neben dieser Grundsatzproblematik wird am Beispiel der Evaluation eines Sprachförderprogrammes
aufgezeigt, wie schwierig einerseits, aber wie relevant andererseits solche Evaluationen sind. Ausgehend von den wenig befriedigenden Ergebnissen solcher Evaluationen wird überlegt, an
welchen Stellschrauben gedreht werden müsste, um diese Situation zu verbessern.
Kathrin Kieczkowski, geb.1968, studierte an der Pädagogischen Fachschule "Henriettte Goldschmidt" Leipzig, Abschluss als Kindergärtnerin und an der Humboldt- Universität zu Berlin, Fachrichtung Rehabilitationspädagogik und Kommunikationswissenschaften, Abschluss als Diplomvorschulerzieher für Hörgeschädigte. Sie ist seit 2004 Leiterin der Heilpädagogischen Kindertagesstätte der Sächsischen Landesschule für Hörgeschädigte / Frühförderung und seit 2010 Pädagogische Leiterin des Cochlea Implantat Zentrum in Leipzig.
Im Workshop werden mögliche Auswirkungen der Hörschädigung auf die Kommunikation und Interaktion im frühen Kindesalter aufgezeigt. Pädagogische Ansätze in der Hörfrühförderung und der Arbeit
in der Kindertagesstätte sowie die Möglichkeiten technischer Hilfsmittel und unterstützender Kommunikation werden anhand von Praxisbeispielen dargestellt.
Herbert Lange
arbeitete nach Abschluss der Ausbildung zum staatlich anerkannten Logopäden 1997 zunächst in Berlin. Von 2001-2004
absolvierte er das Masterstudium Communicative Disorders an der San Francisco State University und therapierte 5 Jahre lang für kalifornische Schuldistrikte. Im Sommer 2009 wechselte Herr Lange
in eine Praxis nach Niedersachsen, die für die Lebenshilfe Syke e.V. eine Förderschule mit Schwerpunkt geistige Entwicklung sowie Integrationskindergärten versorgt.
Seit Herbst 2010 unterrichtet er das Fach "Logopädie bei geistiger Behinderung - ICP - UK", zurzeit an der Schule Schlaffhorst-Andersen.
Kinder mit Trisomie 21 zeigen bei aller Unterschiedlichkeit in ihrer Persönlichkeit und ihren individuellen Lernleistungen besondere Stärken im visuellen, im rhythmisch-musikalischen und
sozialemotional-pragmatischen Bereich. Im Rahmen ganzheitlich orientierter Logopädie, die auf erfolgreiche Kommunikationsentfaltung, größtmögliches, auch akademisches Wachs-tum der Kinder und
ihre vollständige gesellschaftliche Integration abzielt, müssen all diese Ressourcen sorgfältig geprüft und genutzt werden. Am effektivsten geschieht das als genau und dynamisch definierter,
aufeinander abgestimmter Teamprozess mit dem Kind, seiner Familie, den Spiel- und Lernkameraden seiner direkten Umgebung (Peers), den Erziehern und Lehrerinnen sowie den behandelnden
Therapeuten. Am Beispiel der über den Verlauf von 3,5 Jahren beobachteten Kommunikationsentwicklung von Silas, einem Jungen mit Trisomie 21 im Alter von 6,5 Jahren, soll ein sechssäuliges
Fördermodell vorgestellt und diskutiert werden. Dieses vom Team eines niedersächsischen Integrationskindergartens ganzheitlich gestaltete Programm setzt sich aus folgenden Elementen
zusammen:
Claudia Wirts, M.A.
ist seit 2007 wissenschaftliche Referentin am Staatsinstitut für Frühpädagogik mit dem Schwerpunktbereich Interaktion / Sprache. Derzeitige Arbeitsschwerpunkte: Erwachsenen-Kind-Interaktion, Zuhören, sprachliche Bildung im Krippenbereich. Beruflicher Werdegang: Studium der Sonderpädagogik (Sprachheilpädagogik), Sprachtherapeutin (Frühförderung) und Integrationspädagogin (Kindergarten) sowie Lehraufträge an der LMU München und der PH Heidelberg.
Die Interaktionsqualität ist Kindertageseinrichtungen ist das zentrale Thema, wenn es um den Erfolg von Bildungsvermittlung bei Kindern geht. Studien, die Erzieherin-Kind-Interaktionen in den
Blick genommen haben, konnten zahlreiche Zusammenhänge zwischen bestimmten Interaktionsverhaltensweisen und dem Outcome der Kinder nachweisen. Verschiedene, vor allem internationale Studien
(u.a. Siraj-Blatchford et al. 2002 (REPEY-Studie) und Sylva et al. 2004 (EPPE-Studie); NICHD (NICHD ECCRN, 2000, 2002) fanden in Einrichtungen mit höherer Interaktionsqualität positivere
kindliche Entwicklungsverläufe als in qualitativ schlechteren Einrichtungen. Dies gilt für Kompetenzbereiche wie die Sprachentwicklung oder mathematische Fähigkeiten (Mashburn et al. 2008;
Howes et al. 2008; Penno et al. 2002; Pianta et al. 2008) ebenso, wie für die sozio-emotionale Entwicklung (Sylva et al. 2004; Mashburn et al. 2008; Curby et al. 2009; NICHD, 2002). Die
Qualität der Interaktionen stellte sich bei Mashburn et al. (2008) als wichtigster Faktor für den Lernerfolg im Bereich akademischer wie sozialer Kompetenzen der Kinder heraus. Zahlreiche
weitere Studien identifizieren die Prozessqualität als wichtigen Einflussfaktor auf die sprachlichen Kompetenzen der Kinder (Peisner-Feinberg et al. 2001; Roßbach 2005; Sammons et al. 2008;
Tietze et al. 2005). Das derzeit am ifp laufende Forschungsprojekt BIKE (Bedingungsfaktoren für gelingende Interaktionen zwischen Erzieherinnen und Kindern) stellt die Frage nach den
Bedingungsfaktoren für gelingende Interaktionen im Kita-Alltag. Dabei stehen folgende Fragen im Vordergrund:
Karen Schramm
ist Professorin für Deutsch als Fremd- und Zweitsprache mit Schwerpunkt Didaktik/Methodik am Herder-Institut der Universität Leipzig.
Christiane Hofbauer
ist promovierte Sprachwissenschaftlerin und derzeit Angestellte der Universität Leipzig und 2. Vorsitzende des Trägervereins des INSKOM. Sie studierte und
promovierte an der LMU München, und arbeitete dort, an der PH Heidelberg sowie am Staatsinstiut für Frühpädagogik in München. Zusätzlich lehrt und lehrte sie an verschiedenen Hochschulen und
Institutionen. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind mono- und bilingualer Spracherwerb, Sprachentwicklungsstörungen und Sprachförderung.
Kerstin Popp & Anett Platte:
Wahrnehmung und Umgang mit Verhaltensweisen von Kindern
Ausgehend von der eigenen Wahrnehmung von Verhaltensauffälligkeiten im Kindergarten wird kritisch hinterfragt, was ist ein normales Verhalten eines Kindergartenkindes. Besonders wird dabei auf die emotionale Entwicklung von Kindergartenkindern eingegangen. Unter dem Blick der Verursachung und den Möglichkeiten des Erkennens von Verhaltensauffälligkeiten wird auf Hilfsangebote und –möglichkeiten verwiesen.
Prof. Dr. Christian W. Glück vertritt die Professur Pädagogik mit Förderschwerpunkt Sprache und Kommunikation an der Universität Leipzig und ist Leiter des Instituts für Sprache und Kommunikation in Bildung, Prävention und Rehabilitation INSKOM. Nach einem Lehramts- und Magisterstudiengang Sprachheilpädagogik mit den Nebenfächern Psycholinguistik und Kognitive Psychologie an der LMU München arbeitete er als Lehrer an Sprachheil- und Lernförderschulen in Bayern. Er war Doktorand und Assistent von Frau Prof. A. Kotten-Sederquist und Mitarbeiter bei Prof. M. Grohnfeldt. Dann erhielt er den Ruf an die Pädagogische Hochschule Heidelberg und später an die Universität Leipzig. Seine Arbeits- und Forschungs-schwerpunkte liegen vorwiegend in anwendungs- und auch in grundlagenwissenschaftlichen Fragen der Diagnostik und Therapie bei Sprachentwicklungsstörungen und Stottern. Als Projektleiter der Ki.SSES-Längsschnittstudie fokussierte er Fragen der Qualität und Wirksamkeit sprachfördernder und sprachtherapeutischer Angebote in unterschiedlichen Beschulungssettings. Als Projektleiter des LakoS unterstützt er die sprachliche Bildung und Förderung im Elementarbereich in Sachsen.
Das Leipziger Frühjahrssymposium wird vom Landeskompetenzzentrum für Sprachförderung an Kindertageseinrichtungen in Sachsen (LakoS) in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sprache und Kommunikation in Prävention, Bildung und Rehabilitation (INSKOM) und der Universität Leipzig veranstaltet.
Der Fachtag wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.
Das Landeskompetenzzentrum zur sprachlichen Bildung und Förderung befindet sich in Trägerschaft des Vereins zur Förderung von Sprache und Kommunikation e. V.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.