- Rücklick - 10. Leipziger Frühjahrssymposium Sprache & Kommunikation

 

 

Viele Sprachen Deutsch - Mit Sprache (un-)bewusst handeln

 

am 25.06.2021

 


Das 10. Leipziger Frühjahrssymposium fand am 25.06.2021 nicht mehr ganz im Frühjahr und auch nicht in den Räumlichkeiten der Universität Leipzig, sondern in ganz Sachsen und anderen Teilen Deutschlands auf vielen Monitoren statt.

 

Mit 145 Teilnehmer/-innen und Interessierten war das nun schon zweite Online-Symposium sehr gut besucht und alle Workshops schon im Vorfeld ausgebucht. In der digitalen Welt konnten die pädagogischen Fachkräfte, Kita-Leitungen, Fachberater/-innen, Sprachförderkräfte, frühpädagogische Wissenschaftler/-innen und auch Logopäd/-innen und Sprachtherapeut/-innen einen Hauptvortrag hören sowie zwei von acht Workshops wählen.

 

Worum ging es?

Unsere Sprache hat viele verschiedene Varianten, die auch von den äußeren Umständen abhängen. Im Rahmen der Sprachentwicklung stehen Kinder vor der Herausforderung, für die jeweiligen Situationen die “richtige” Mischung von Sprache bzw. die passenden Worte zu finden. Der Erwerb des situations- und kontextangemessenen Sprachgebrauchs in Kommunikation und Interaktion kann begleitet und unterstützt werden.

 

“Ey du, Frau Müller!?” ist so ein Beispiel für diesen Erwerbsprozess. Erwachsene Sprecherinnen und Sprecher wissen meist, welche Sprach- und Handlungsmuster in welchen Situationen genutzt werden. Kinder lernen die Vielfältigkeit ihrer Umgebungssprache/-n durch den Umgang mit anderen Sprecherinnen und Sprechern sowie Medien kennen und probieren sie aus. Damit alle Kinder ausreichende Möglichkeiten haben, Sprach- und Kommunikationsmuster kennenzulernen sowie Sicherheit in der Entschlüsselung von Kontexten erlangen können, ergibt sich für die Frühpädagogik die Frage, wie die Begleitung und Unterstützung dieser Erwerbsprozesse gestaltet werden kann.

 


Begrüßung

 

Sarah Girlich und Prof. Christian W. Glück, als Vertreter des LakoS und der Universität Leipzig, eröffneten den Fachtag in der digitalen Welt. 

Vortrag & Fragerunde

 

Prof. Dr. Jörg Meibauer (Universität Mainz):

Wie Kinder lügen lernen

 


 

Im  Hauptvortrag des 10. LFS ging es um den Lügenerwerb von Kindern in der Vorschulzeit, also darum, wie Kinder lügen lernen. Die Beherrschung des Lügens ist eine besondere kognitive Fähigkeit des Menschen. Ausgehend von Überlegungen zur Definition der Lüge wurde das zentrale Konzept der Theory of Mind (ToM) erläutert, verstanden als Einsicht des Kindes, dass andere Personen eigene Überzeugungen, Einstellungen und Emotionen haben. Viele experimentelle Untersuchungen haben die Entwicklung der kindlichen ToM erforscht und es wurde ein Einblick in diese Forschungsdesigns und ihre Ergebnisse gegeben. Lügen ist auch eine moralische Kategorie und spielt eine wichtige Rolle im Moralerwerb des Kindes. Es ist nicht notwendig schlecht, wie die prosozialen Lügen zeigen. Aber die Abgrenzung zwischen antisozialen und prosozialen Lügen ist schwer, zumal im Input der Kinder unterschiedliche Erfahrungen vorliegen: etwa mit paternalistischen Lügen über Zahnfee und Storch, mit lügnerischen Figuren der Kinderliteratur und mit wahrheitsbezogenen Sprechakten des Witzemachens, der Ironie und des Bullshittens.

Anschließend wurde in einer offenen Fragerunde an die dargestellten Inhalte angeknüpft und Fragen aus dem Publikum besprochen.

 Clemens Rothbauer: Graphic Recording 

Parallel zum Fachtag: Graphic Recording von Illustrator und Graphic Designer Clemens Rothbauer

Clemens Rothbauer 30.06.2021

(zum Vergrößern anklicken) 

 

Workshop 1

 

Dr.in Kristin Börjesson (Universität Halle): 

Pragmatikerwerb mit Kinderliteratur unterstützen

Dass das (dialogische) Vorlesen von Kinderliteratur den Spracherwerb bei Kindern in der frühen Kindheit und im Vorschulalter positiv beeinflussen kann, ist mittlerweile vielfach durch entsprechende empirische Studien belegt worden. Im Workshop wurde ausgelotet, inwiefern die Beschäftigung mit Kinderliteratur auch das Potenzial hat, insbesondere den Erwerb pragmatischer Fähigkeiten/Phänomene zu unterstützen. Zu Beginn des Workshops wurde zunächst rekapituliert, was eigentlich unter pragmatischen Fähigkeiten/Phänomene im Einzelnen zu fassen ist und welche dieser Fähigkeiten/Phänomene im Kindergartenalter schon/noch erworben werden. Anschließend wurde der Frage nachgegangen, wie Rezeptionssituationen im Kindergarten gestaltet sein sollten, damit sie förderlich auf den Erwerb derartiger pragmatischer Fähigkeiten/Phänomene wirken können. Im dritten Teil des Workshops wurde sich der Frage zugewendet, welche Arten von Kinderbüchern sich zur Unterstützung des Erwerbs pragmatischer Fähigkeiten/Phänomene besonders eignen. Hierfür wurden exemplarisch ausgewählte Kinderbücher hinsichtlich ihrer sprachlichen und grafischen Gestaltung etwas genauer betrachtet.

Workshop 2

 

Miriam Nadimi Amin (Trainerin, Mediatorin und Konflikt-Coach): 

Diversitätssensible Sprache in der Kommunikation mit Familien

Carolin Machens & Sarah Girlich im Workshop 

Der Workshop beschäftigte sich mit der Bedeutung einer diversitätssensiblen Haltung. Dabei wurden stereotype Bilder und Vorurteile überprüft und analysiert wie diese sich auf Sprache und Sprachhandlungen auswirken. Außerdem wurde  untersucht, wo Sprache Macht transportiert und eine gleichwürdige Begegnung mit Familien verhindert. Gleichzeitig wurde ein Blick auf die Ansätze der Leichten/ Einfachen Sprache geworfen und ein Übertrag auf den Kita-Kontext geleistet, um Familien gleichwertige Zugänge zu ermöglichen und ihre Teilhabe und Wirksamkeit zu fördern.

Workshop 3

 

Dr.in Elisabeth Wildegger-Lack (akademische Sprachtherapeutin):

Förderung der kindlichen Sprachkompetenz im Rollenspiel

Das soziale Rollenspiel ist die bevorzugte Spielform der Kinder zwischen drei und sechs Jahren. In diesem Alter lieben es die Kinder die Realität in verschiedenen Rollen nachzuspielen. Der zentrale Handlungsgegenstand ist dabei das Gespräch der Spielpartner untereinander.

Sowohl Rollenspiele mit Verkleiden sind für die Kinder in diesem Alter besonders interessant, als auch das Agieren mit verschiedenen Spielfiguren. Immer steht der Dialog zwischen den handelnden Personen im Mittelpunkt des Interesses.

Anhand konkret-praktischer Beispiele konnten die Fachkräfte einen Einblick gewinnen und neue Spielideen kennenlernen, wie die Sprachkompetenz im kindlichen Rollenspiel auf sinnvolle Art und Weise alltagsintegriert begleitet und gefördert werden kann.

Workshop 4

Dr.in Christiane Hofbauer (INSKOM): 

Gute Sprache - schlechte Sprache?

Dialekt, Umgangssprache, Bildungssprache, lange Sätze oder kurze Äußerungen ... Klar ist, dass pädagogische Fachkräfte Kindern in der Kita ein gutes sprachliches Vorbild sein sollten. Aber was ist denn eigentlich "gute" Sprache? Und warum verwenden wir überhaupt so viele unterschiedliche Varianten von Sprache? Darüber wurde im Workshop referiert und diskutiert.

 Workshop 5

Dr. Benjamin Uhl (Universität Paderborn): 

Literarität und Literalität in der Kita - Erzählfähigkeiten mit textlosen Bilderbüchern fördern

In dem Online-Workshop wurde sich mit sprachlichen Unterstützungshandlungen (Scaffolding) auseinandergesetzt, die wichtig zur Förderung von mündlichen Erzählfähigkeiten sind. Aus pragmatischer Sicht bildet das mündliche Erzählen eine wichtige Vorläuferfähigkeit von Schreibfähigkeiten, da Kinder über das Erzählen mehr und mehr lernen können, wie sie eine monologische Sprachhandlung alleine gestalten können. 

In diesem Workshop lernten die Teilnehmer/-innen, wie sie textlose Bilderbücher einsetzen können, um Erzählfähigkeiten von Kindern einer inklusiven Kindertagesstätte zu fördern. Hierbei wurde sehr detailliert auf Fallbeispiele aus der pädagogischen Praxis geschaut und theoriegestützt wurden verschiedene Möglichkeiten herausgearbeitet, wie frühkindliche narrative Fähigkeiten angeregt und unterstützt werden können. Im Vordergrund stand hierbei unter einer inklusiven Perspektive die Sensibilisierung der Teilnehmer/-innen für unterschiedliche Entwicklungsverläufe der Lernenden.

Workshop 6

Ulrike Kurzawe (kita dialogitalUniversität Leipzig): 

Digital im Dialog - Sprachhandeln in der frühen Bildung mit digitalen Medien unterstützen

 

Schon im Jahr 1969 stellte der Kommunikationswissenschaftler und Psychologe Paul Watzlawick fest: "Wir können nicht nicht kommunizieren". Überall dort, wo Menschen aufeinandertreffen, findet Kommunikation statt, ob verbal, nonverbal oder durch bestimmte Verhaltensweisen. Doch wie verändert sich unser Sprachhandeln, wenn die Kommunikation im digitalen Raum stattfindet? Wie können Gespräche und Absprachen mit Eltern gelingen, wenn Sie über E-Mail, Apps und Co. geführt werden? Welche Unterschiede ergeben sich, wenn z.B. Mimik und Gestik in der Kommunikation entfallen und wie kann dem im Kita-Alltag begegnet werden? Wie kann der Kontakt zu Kindern, wenn notwendig digital, gehalten und umgesetzt werden und worauf muss ich achten?

Im Workshop wurden gemeinsam mit den Teilnehmenden Chancen und Herausforderungen digitaler Formate als Kommunikationsform mit Eltern und Kindern erarbeitet und reflektiert werden. Durch den Erfahrungsbericht einer sächsischen Kita, die bereits Erfahrungen mit digitalen Kommunikationsformen sammeln konnte, wurden Praxishinweise und Ideen zur Umsetzung in der eigenen Einrichtung gegeben. 

 Workshop 7

Susan Schelten-Cornish (akademische Sprachtherapeutin): 

Pragmatische Kompetenzen beobachten

Der Beobachtungsbogen für pragmatische Fähigkeiten (BFP) ermöglicht die fundierte Videoanalyse von kurzen kindlichen Interaktionen mit gleichaltrigen oder erwachsenen Bezugsperson. Im Workshop wurden anhand des BFP die pragmatischen Fähigkeiten von Kindern und Bezugspersonen strukturiert, kleinschrittig und konkret zusammen analysiert. Dies ermöglicht die spätere Therapieplanung auf der jeweiligen Entwicklungsstufe.

Workshop 8

Prof. Markus Spreer (Universität Berlin): 

Pragmatisch-kommunikative Kompetenzen fördern

Der situations- und kontextangemessene Sprachgebrauch in Kommunikation und Interaktion ist das Ziel jeglicher Intervention und Förderung im Bereich Sprache! Nach Achhammer et al. (2016) lässt sich der Auf- und Ausbau entsprechender Kompetenzen in die drei Förder- und Therapiebereiche Kommunikationsverhalten/ Gesprächsführung, Textverarbeitung/ Textproduktion sowie Situations- und Kontextverhalten einteilen. Die dadrin enthaltenen Teilkompetenzen müssen zudem entwicklungsorientiert und mit aufsteigender Komplexität vom interpersonellen Erkennen und Verstehen über das interpersonelle Produzieren und Anwenden bis hin zum flexiblen Einsatz in Realsituationen aufgebaut sein. Im Workshop wurde, ausgehend von möglichen Förder-/Therapiezielen, zunächst ein Überblick über die Förder- und Therapiebereiche nach Achhammer et al. (2016) gegeben. Im Anschluss setzten sich die Teilnehmenden mit möglichen Methoden und Übungsformaten für unterschiedliche Altersgruppen auseinander und diskutierten Umsetzungsmöglichkeiten. Materialhinweise ergänzten das Angebot.

Digitale Aussteller

 

In der Mittagspause und im Anschluss an den Fachtag bestand für die Teilnehmer/-innen die Möglichkeit einen Rundgang entlang der digitalen "Ausstellertische" zu machen. Hier konnten Inhalte und Angebote der verschiedenen Akteure eingesehen werden. 

Wir, das Team des Landeskompetenzzentrums zur Sprachförderung an Kindertageseinrichtungen in Sachsen (LakoS), danken allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern.


 

Der Fachtag wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.


 

 

Bildrechte: (c) Verein Sprache und Kommunikation e. V.