Der Fachtag steht unter der Schirmherrschaft
des Sächsischen Staatsministers für Kultus Christian Piwarz.
Abstracts
Vortrag
- Prof.in Dr.in Tanja Jungmann -
"Mit Gefühl (Mit-)Sprache alltagsintegriert in Kindertageseinrichtungen fördern"
Die sozial-emotionalen Kompetenzen von Kindern lassen sich nicht losgelöst von anderen Entwicklungsbereichen betrachten. Vielmehr stellt der Umgang mit den eigenen Gefühlen eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung weiterer Fähigkeiten und den späteren Schulerfolg dar.
Im Vortrag wird zunächst der enge Zusammenhang zwischen der sozial-emotionalen und der sprachlichen Entwicklung skizziert und auf das gehäufte komorbide Auftreten von Entwicklungsauffälligkeiten in beiden Bereichen eingegangen.
Als wesentliche Bedingungen für den erfolgreichen Spracherwerbsprozess wie auch für die emotional-soziale Gesundheit wird das responsive und einfühlsame Eingehen erwachsener Bezugspersonen auf die kindlichen Bedürfnisse fokussiert. Aber auch der sprachlich-literale Anregungsgehalt der Lernumgebung in Familie und Kindertageseinrichtung wirkt sich auf das Sprachverständnis und die emotionale Regulationsfähigkeit aus. Auf dieser Grundlage werden Ansatzpunkte für die verschränkte vorschulische Prävention von Entwicklungsauffälligkeiten in beiden Bereichen umrissen. Ein Schwerpunkt in den Bildungskonzeptionen liegt bisher auf der Förderung der kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten. Entscheidend für die Effektivität der Fördermaßnahmen ist die Fähigkeit der pädagogischen Fachkräfte, die sprachliche Förderung an die
individuellen sprachlichen Kompetenzen des einzelnen Kindes, aber auch der Kindergruppe anzupassen. Die alltagsintegrierte Förderung der emotional-sozialen Entwicklung wurde bisher deutlich seltener thematisiert, entsprechend liegen auch nur wenige empirische Erkenntnisse zu deren Wirksamkeit vor. Es ist aber bekannt, dass insbesondere Kinder aus Familien mit einem niedrigen sozioökonomischen Status und einem geringen Anregungsniveau von der professionellen Responsivität ihrer pädagogischen Fachkräfte profitieren.
Die Förderung sozial-emotionaler Kompetenzen kann somit gleichzeitig Sprachförderung sein, wenn Kinder zum Austausch über Gefühle und das Miteinander in der Gruppe angeregt werden. Die Sprache wird dabei als Werkzeug eingesetzt, um eigene Gefühle auszudrücken. Häufige Gespräche über Emotionen (sei es beim alltäglichen Erzählen oder beim dialogischen Lesen) führen dazu, dass Kinder ein umfangreiches Emotionsvokabular kennenlernen und verwenden. Dadurch wird auch das Emotionswissen der Kinder erweitert.
Workshops
- 1) Kerstin Schnepel -
"Lebenskompetenzen im Gepäck"
"Lebenskompetenzen im Gepäck" ist ein Fortbildungsangebot für pädagogische Fachkräfte in u.a. Kitas. Mit dem Angebot möchten wir den „Rucksack“ öffnen und die methodischen Angebote der Fachstelle
sichten und kennenlernen. Ausgepackt werden praxisrelevante Methoden, resilienzfördernde Spiele und ressourcenstärkende Übungen für die Entwicklung und Stärkung der
Lebenskompetenzen im Kindes. Lebenskompetenzen werden auch als Schutzfaktoren bezeichnet und sind zentral für eine gesunde Persönlichkeitsentwicklung sowie den konstruktiven Umgang mit Alltags-
und Entwicklungsherausforderungen.
Im Methodenseminar stehen neben einer thematischen Einführung in die Lebenskompetenzförderung die Vorstellung und Erprobung der methodischen Praxisangebote im Mittelpunkt. Weiterhin wird der
Blick in die Region gelenkt, um Projekte, Partner und Ressourcen sichtbar zu machen. Der kollegiale Austausch zur Umsetzung rundet die Fortbildung ab.
- 2) Christiane Feller -
"Die traumabewusste Kita"
Traumatisierte Menschen begegnen uns überall. Zu Hause, im Supermarkt oder eben bei der Arbeit: Man geht mittlerweile davon aus, dass durchschnittlich etwa 1 bis 2 Kinder pro Kita-Gruppe traumatisiert sind. Dieser Anteil steigt z.B. durch eine erhöhte Zahl geflüchteter Kinder, die grundsätzlich zu einer besonderen Risikogruppe für traumatisierende Erlebnisse zählen. (Baer 2018:12)
Gleichzeitig überfällt einen Großteil der pädagogischen Mitarbeiter:innen Hilflosigkeit bis Angst, wenn auch nur die Vermutung einer Traumatisierung im Raum steht. Geschult sind die wenigsten und so kommt es immer wieder zu frustrierenden Situationen für alle Beteiligten. Kinder werden auffällig aggressiv oder verschließen sich bis zur Apathie und Betreuer:innen fühlen sich überfordert. Das alles in einem Arbeitsalltag, der kaum Raum lässt für das immense Maß an individueller Fürsorge, der es hier auf beiden Seiten bedarf.
In diesem Workshop wollen wir das, was uns im Arbeitsalltag öfter begegnet als uns lieb ist, genauer unter die Lupe nehmen: Zunächst nähern wir uns theoretisch dem Phänomen Psychotrauma an. Wir erfahren, was ein Trauma umfasst und wie es sich (bei Kindern) zeigen kann.
Aus diesem Basiswissen leiten wir ab, was es bräuchte, um den KiTa-Alltag traumasensibel zu gestalten. Im Dialog zwischen Theorie und Praxis entwickeln wir Strategien, wie gestaltet und kommuniziert werden kann, sodass sich auch schwer belastete Kinder und Eltern darin orientieren können. Strategien, die Mitarbeitende einladen, traumabewusst agieren zu lernen, weil es weder ihre Kompetenzen noch ihren Zeitrahmen übersteigt. Wie wir Kinder wieder anknüpfen lassen an ihre individuelle sozial-emotionale Entwicklung ist dabei genauso wichtig wie die pädagogischen Fachkräfte in ihren Handlungsoptionen zu stärken und ihre Grenzen ausloten zu helfen.
Ziel ist es, die Angst vor der Begegnung mit traumatisierten Menschen hinter uns zu lassen und statt dessen einen Nährboden für ein Gefühl von „damit kann ich umgehen“ zu bereiten.
- 3) Christine Bühler -
"Sozial-emotionale Kompetenz: Eine wesentliche Grundvoraussetzung für
eine befriedigende und erfolgreiche Zusammenarbeit im Team - Wie kann
es gelingen?"
In diesem Workshop fokussieren wir das Thema Sprache und Emotionen auf der Teamebene. Wie können eigene Gefühle, Bedürfnisse und Wünsche im Team geäußert, wahrgenommen und auch angemessen darauf reagiert werden? Wir beschäftigen uns mit aktivem Zuhören, gewaltfreier und wertschätzender Kommunikation sowie mit konstruktiver Kritik. Achtsamkeit, Empathie und Selbstfürsorge sind in diesem Zusammenhang zentrale Begriffe, die einen Umgang mit emotionalen und intuitiven Prozessen ermöglichen. Die Teilnehmenden bekommen nach einem fachlichen Input die Möglichkeit, einzelne Elemente praktisch auszuprobieren und darüber in den Austausch zu kommen.
- 4) Mareike Kriener-Neumann -
„Bindungsbezogenes Denken, Sprechen und Fühlen bei Kindern mit und ohne sprachliche Auffälligkeiten“
Im Workshop „Bindungsbezogenes Denken, Sprechen und Fühlen bei Kindern mit und ohne sprachliche Auffälligkeiten“ geht es um mögliche Zusammenhänge der Sprach- und Bindungsentwicklung.
Zunächst wird eine kurze Einführung in die Bindungstheorie von Bowlby (1973) gegeben und die vier Bindungsstrategien [sicher (B), unsicher-vermeidend (A), unsicher-ambivalent (C) und desorganisiert (D)] und ihre Bedingungsfaktoren vorgestellt. Bindungsstrategien lassen sich als innere Arbeitsmodelle von Bindung beschreiben, die bewusstes und unbewusstes Wissen über Bindungserfahrungen, damit verbundene Bewertungen und Empfindungen sowie kognitiv-sprachliches Emotionswissen umfassen. Sie bedingen, wie bindungsrelevante Erfahrungen, Gefühle oder Erinnerungen vom Kind eingeschätzt, reguliert und verarbeitet werden (Gloger-Tippelt, 2016).
Im zweiten Teil des Workshops lernen die Teilnehmenden das „Geschichtenergänzungsverfahren zur Bindung 5- bis 8-jähriger Kinder“ (GEV-B) kennen, welches zur Erfassung der Qualität der Bindungsstrategien für Vorschul- und Grundschulkinder entwickelt wurde.
Das Verfahren wird in der Praxis zu diagnostischen Zwecken eingesetzt. Im GEV-B werden fünf Geschichtenanfänge vom Untersuchenden mit Figuren gespielt und das Kind jeweils anschließend aufgefordert, die Geschichte weiter und zu Ende zu spielen.
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Dabei handelt es sich um alltägliche Situationen, die Bindungsthemen triggern (verschütteter Saft, verletztes Knie, Angst vorm Monster im Kinderzimmer, Trennung von den Eltern über Nacht und das Wiedersehen mit den Eltern). Es gibt eine Aufwärm- und eine Abschlussgeschichte. Am Ende jeder Geschichte werden standardisiert zwei Nachfragen gestellt, die zur Einschätzung der Bindungssicherheit und –strategie beitragen. Die Auswertung liefert auf der Basis von Videos für jede einzelne und für alle fünf Geschichten zusammen einen Bindungssicherheitswert [4 (sehr sicher) bis 0 (extrem unsicher)]. Zusätzlich wird eingeschätzt, ob das Kind die gespielte Situation annimmt, wie es mit dieser umgeht und ob es eine passende Lösung findet und dementsprechend eine Klassifikation der Bindungsstrategie vorgenommen (B, A, C oder D). Hieraus lassen sich interessante Beobachtungskriterien zum kindlichen Spielverhalten ableiten. Bisher wurde in den bindungstheoretischen Auswertungen der Sprachentwicklungsstand der Kinder nicht mitberücksichtigt. |
Gemeinsam mit den Workshopteilnehmer:innen werden exemplarisch Bindungsgeschichten von Kindern mit und ohne Sprachentwicklungsstörung untersucht und hinsichtlich des bindungsbezogenen Denkens, Sprechens und Fühlens verglichen. Es ist aufgrund der engen Verschränkung von Sprache und Emotionen anzunehmen, dass sich die Geschichtenergänzungen auch in Abhängigkeit von den sprachlichen Kompetenzen unterscheiden und dass die Bindungserfahrungen der Kinder deren sprachliche Fähigkeiten beeinflussen.
Implikationen für die Praxis werden gemeinsam aus den Ergebnissen erarbeitet. Gern nehmen wir uns abschließend Zeit für Diskussionen, inhaltlichen Austausch sowie individuelle Fragen und Anliegen.
- 5) Jens Morgenstern -
„Marte Meo: Kleine Alltagsmomente - Große Entwicklungschancen“
Entwicklungsanregende und -unterstützende Dialoge können kürzeste Alltagssituationen zu schönen Entwicklungsmomenten machen. Sei es in der Ankleide, beim Begleiten kindlichen Spiels oder in einer der anderen, unzähligen Situationen, in denen Kinder in Interaktion und Kommunikation sind. Anhand kurzer Videoclips erleben Sie, wie Kinder „geschenkte Worte“ in Sprache verwandeln und in Beziehung zu ihrer Umwelt treten. Es wird sichtbar, wie Kinder ihre eigene Gefühlswelt und die anderer kennenlernen, um somit auch eine Vorstellung von sich selbst zu erhalten („so eine(r) bin ich“) und sich mit anderen zu verbinden. Zudem ermöglichen die kurzen Videos einen Einblick darin, wie Kinder verbindende emotionale Situationen wahrnehmen und erleben, Vertrauen in ihre Initiativen erhalten und so mit ihren Kompetenzen in Berührung kommen.
Zusammen mit Jens Morgenstern von marte meo Leipzig erkunden Sie die videobasierte Methode zur Entwicklungsunterstützung und Beratung
Marte Meo. Sie sind herzlich eingeladen, das Erlebte in praktischen
Übungen auszuprobieren sowie im gemeinsamen Gespräch auf den eigenen
Arbeitsalltag und die Welt der Erwachsenen (z. B. Fachkräfte untereinander;
Fachkraft-Eltern; Fachkraft-Auszubildende) zu übertragen.
- 6) Prof.in Dr.in Tanja Jungmann -
"Sprache und Emotion im Fokus der Early Literacy-Förderung"
Der Schwerpunkt beim klassischen Vorlesen, dem dialogischen Bilderbuchbetrachten und im Erzählkreis liegt auf der Förderung der Erzählfertigkeit. Insbesondere die Bilderbuchsituation wird auch als die Protosituation für die Einführung in die Sprach- und Schriftkultur bezeichnet (Jungmann et al., 2018). Geschichten und Bücher sind für Kinder aber auch immer eine Einladung zu einer Reise in eine andere Welt. Viele Geschichten sind mit Gefühlen verknüpft, die Hauptfiguren befinden sich in Situationen, die den Kindern zumeist vertraut sind und in denen sie daher gut Gefühle wiedererkennen und zuordnen können. Beim Zuhören und aktiven Erzählen knüpfen die Kinder an eigene emotionale und affektive Erfahrungen an. Sie reagieren z.B. direkt auf das Gehörte mit Ausrufen, mimischen und gestischen Reaktionen und lassen den/die Erzähler*in um ihre Gefühle wissen, die eine Geschichte bei ihnen auslöst. Durch den gezielten Einsatz von Bilderbüchern, in denen auch Emotionen thematisiert werden, lernen Kinder aber auch sich ihrer Gefühle bewusst zu werden und mit ihnen umzugehen. Dies ist die Grundlage, um wiederum feinfühlig mit anderen Menschen umzugehen und Mitgefühl zu entwickeln. Bilderbücher eignen sich somit sehr gut, um sich mit den eigenen Gefühlen, sowie mit den Gefühlen anderer auseinanderzusetzen: Der Gefühlswortschatz wird erweitert, indem unterschiedliche Gefühle beschrieben und benannt werden. Die Kinder haben die Möglichkeit sich mit verschiedenen Protagonisten zu identifizieren, Gefühle wahrzunehmen und Regulationsstrategien kennenzulernen (vgl. Jungmann et al., 2021).
In diesem Workshop werden Anregungen gegeben sowie in Kleingruppen eigene Ideen und Materialien zum Einsatz von ausgewählten Bilderbüchern zur gleichzeitigen Förderung der sprachlichen und sozial-emotionalen Kompetenzen entwickelt.
Bei der Auswahl der Bücher sollten immer die Interessen der Kinder berücksichtigt werden. Auch von den Kindern mitgebrachte Bücher können gut mit der ganzen Gruppe besprochen werden. Jedes Kind, das möchte, kann sein Buch vorstellen und den anderen erzählen, warum es gerade dieses Buch so gerne mag. Dadurch erfahren die Kinder Wertschätzung für ihre Interessen und Vorlieben. Entsprechend sind auch die Teilnehmer*innen des Workshops herzlich eingeladen, selber ihre Lieblingsbilderbücher mitzubringen, um diese zum Gegenstand der Überlegungen zur Entwicklungsförderung an der Schnittstelle von Sprache, Literacy und sozial-emotionaler Entwicklung zu machen.
- 7) Prof.in Dr.in Christina Kauschke -
"Zur Neuentwicklung der Patholinguistischen Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (PDSS)"*
Nach langjähriger Entwicklungsarbeit eines multidisziplinären Teams erschien 2022 die vollständig neu konzipierte dritte Auflage der Patholinguistischen Diagnostik bei Sprachentwicklungsstörungen (PDSS) in einer Printversion und als webbasierte Software. Mit 10 Subtests aus den Bereichen Wortschatz, Aussprache und Grammatik lässt sich ein Sprachprofil erstellen, das ein umfassendes Bild sprachlicher Stärken und Schwächen von Kindern zwischen 2;6 und 6;11 Jahren bietet. Neben Erweiterungen bereits bekannter Subtests wurden eine computerunterstützte Grammatikanalyse und eine Auswertung der Makrostruktur erzählter Bildgeschichten eingeführt. Im Rahmen der deutschlandweiten Normierung an 1021 Kindern wurden altersrelatierte Normwerte berechnet und ein Vorgehen für mehrsprachige Kinder integriert. Der Workshop gibt einen Einblick in das Verfahren und seine konzeptuellen und methodischen Veränderungen.
*Nach vorheriger Absprache können Fachkräfte für Workshop 7 im Sinne des Vertrags nach § 125 Absatz 1 SGB V über die Versorgung mit Stimm-, Sprech-, Sprach- und Schlucktherapie Fortbildungspunkte erhalten (45 Min. = 1 UE = 1 Fortbildungspunkt).
Das Landeskompetenzzentrum zur sprachlichen Bildung und Förderung befindet sich in Trägerschaft des Vereins zur Förderung von Sprache und Kommunikation e. V.
Diese Maßnahme wird mitfinanziert durch Steuermittel auf der Grundlage des vom Sächsischen Landtag beschlossenen Haushaltes.