„Bei der Psychomotorik handelt es sich um ein pädagogisch-therapeutisches Konzept, das von einer Einheit des Erlebens, Denkens, Fühlens und Handelns ausgeht und die Wechselwirkung psychischer und motorischer Prozesse in den Vordergrund stellt. Das Bewegungsverhalten des Menschen wird in untrennbarem Zusammenhang mit seiner psychischen Befindlichkeit gesehen. (…) Die Psychomotorik [findet] in unterschiedlichen Handlungsfeldern Anwendung: In der Frühförderung und im Kindergarten kann sie als Grundlage jeglicher Entwicklungsförderung gelten.
Theoretische Grundannahmen und Ziele
Die Psychomotorik orientiert sich an der Grundannahme, dass die Persönlichkeitsentwicklung immer ein ganzheitlicher Prozess ist: Psychische und physische Bereiche sind so miteinander verschränkt, dass jede Einwirkung auf einen Bereich der Persönlichkeit gleichzeitig auch Auswirkungen auf einen anderen hat. Bewegungshandlungen beeinflussen nicht nur die körperlich-motorischen Fähigkeiten von Kindern; gleichzeitig wirken sie sich auch aus auf ihre Einstellung zum eigenen Körper, auf das Bild von den eigenen Fähigkeiten, auf die Wahrnehmung der eigenen Person. Körper- und Bewegungserfahrungen sind daher immer auch Selbsterfahrungen. Sie stellen für das Kind nicht nur wesentliche Mittel der Aneignung der Wirklichkeit dar, auf ihnen baut auch die Identitätsentwicklung auf. Psychomotorik kennzeichnet somit die funktionelle Einheit psychischer und motorischer Vorgänge, die enge Verknüpfung des Körperlich-motorischen mit dem Geistig-seelischen.
Im Vordergrund der Psychomotorik steht die Förderung der gesamten Persönlichkeitsentwicklung eines Kindes durch das Medium Bewegung. Einerseits wird das Ziel verfolgt, über Bewegungserlebnisse zur Stabilisierung der Persönlichkeit beizutragen, also das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken; andererseits soll jedoch auch die Bewältigung motorischer Beeinträchtigungen ermöglicht werden. Es geht darum, die Eigentätigkeit des Kindes zu fördern, es zum selbstständigen Handeln anzuregen, durch Erfahrungen in der Gruppe zur Erweiterung seiner Handlungskompetenz und Kommunikationsfähigkeitbeizutragen und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten zu stärken. Im Mittelpunkt steht die Frage, unter welchen Voraussetzungen Körper- und Bewegungserfahrungen die Identitätsentwicklung von Kindern unterstützen sowie zum Aufbau von Selbstvertrauen und zur Bildung eines positiven Selbstkonzeptesbeitragen können. Eine wesentliche Bedeutung hat dabei die Beziehung zwischen dem Kind und der pädagogischen Fachkraft.
Inhalte psychomotorischer Förderung
Der heutige Ansatz der Psychomotorik ist – gemessen an der früheren „psychomotorischen Übungsbehandlung“ – weniger übungszentriert, sondern eher erlebnisorientiert. Das Bild des Kindes als eigenständiges, aktives und selbstbestimmtes Wesen, das sich die Welt über Bewegung sinnlich aneignet, prägt die praktische Vorgehensweise. Im Rahmen psychomotorischer Förderung soll das Kind dazu angeregt werden, aus eigenem Antrieb aktiv zu werden, das heißt, sich über Bewegung mit sich selbst und mit seiner Umwelt auseinander zu setzen. Bewegungserfahrungen sind immer zugleich auch sinnliche Erfahrungen; sie vermitteln Erfahrungen über den eigenen Körper und die eigene Person, über die räumliche und dingliche Umwelt und über das soziale Miteinander. Diesen unterschiedlichen Funktionen der Bewegung entsprechen die inhaltlichen Schwerpunkte psychomotorischer Förderung. Sie bezieht sich vor allem auf die Bereiche der Wahrnehmung, des Körpererlebens und der Körpererfahrung sowie des sozialen Lernens, die gerade für bewegungsbeeinträchtigte Kinder integrierend und fördernd wirken können und ihnen den Zugang zur Bewegung – wieder – erschließen helfen.“ (Zimmer 2014, S. 360-361)
Literatur:
Zimmer, R. (2014): Psychomotorik. In: Pousset, R. (Hrsg.): Handwörterbuch Frühpädagogik. Mit Schlüsselbegriffen der Sozialen Arbeit (4. Aufl.). Berlin: Cornelsen. S. 360-361.