Newsletter 01/2016: Ein (mehrsprachiger) Vater erzählt...

 

Die Theorie des Mehrsprachen-Erwerbs ist vielfach beschrieben und ist Bestandteil der Ausbildung und von Fortbildungen. Wie aber erleben Eltern den (mehrsprachigen) Spracherwerb ihres Kindes? Diese und weitere Fragen hat uns der Vater eines mehrsprachig aufwachsenden Kindes im Interview beantwortet. Das Interview wurde auf Englisch geführt und übersetzt.

  

Beschreiben Sie uns bitte zunächst ihre Familie. Woher kommen Sie und Ihre Frau und welche Sprachen sprechen Sie?

Ich wurde in Haiti geboren, zog dann zum Studium in die USA und lebe nun seit sechs Jahren mit meiner Familie in Deutschland. Meine Frau und ich haben einen Sohn (Max*, 4) und eine Tochter (Helena*, 1). Mein großer Sohn (David*, 16) lebt momentan bei meiner Schwester in den USA und geht dort zur High-School.

In unserer Familie werden viele Sprachen gesprochen: Ich selbst spreche Englisch, Französisch, Haitianisches Kreol und Deutsch. Meine Frau kommt aus Sachsen und spricht Deutsch, Englisch und Französisch. Mit den Kindern spricht sie Deutsch und ich Englisch. Wir beide sprechen miteinander meistens Englisch. Dementsprechend wachsen die Kinder mehrsprachig auf.

 

 

Und welche Sprachen sprechen ihre Kinder?

Helena spricht bisher nur einzelne (deutsche) Worte. Max spricht normalerweise Deutsch und versteht aber so gut wie alles auf Englisch. Wird er englisch angesprochen, antwortet er meist in einem Mix aus Englisch und Deutsch. 

 

 

Ihre eigenen Muttersprachen sind Kreolisch und Französisch. Können Ihre Kinder auch diese Sprachen verstehen oder sprechen?

Ich fände das eigentlich sehr schön. Aber meine Kinder haben sowohl die deutsche als auch die amerikanische Staatsbürgerschaft, deshalb war es mir wichtiger, dass sie zuerst Deutsch und Englisch lernen. Sie bekommen aber mit, dass ich mit vielen Freunden Französisch spreche. Max hat mich schon mehrmals mit französischen Wörtern oder Redewendungen überrascht: Zum Beispiel sagt er manchmal „Voila!“ oder „C´est la vie.“

 

 

Also haben Sie sich bewusst für die Sprachen Englisch und Deutsch entschieden?

Ja. Jedes Elternteil spricht die Sprache, in der es sich wohler fühlt. Wir suchen dementsprechend auch die Bücher aus, die wir vorlesen. Bei Mama gibt es deutsche Bilderbücher, ich lese beispielsweise „Green eggs and ham“ von Dr. Seuss oder „Where the wild things are“ vor. 

Wenn Max Kindersendungen im Fernsehen schaut, entscheidet er selbst, welche Sprache er sehen möchte: Oftmals entscheidet er sich beim ersten Mal für Deutsch und möchte dieselbe Sendung noch ein zweites Mal auf Englisch sehen. Wir versuchen darauf einzugehen.

 

 

Wie ist es im Kindergarten? Wird hier auf Max´ Zweisprachigkeit eingegangen?

Max hat im Kindergarten Englisch-Unterricht und ist sehr stolz darauf, dass er schon Englisch sprechen kann. Der Unterricht gefällt ihm gut und ist ihm sehr wichtig. Er achtet immer ganz genau darauf, ob er sein Englisch-Heft dabeihat. Wenn ich ihn aus der Kita abhole, spreche ich natürlich Englisch mit ihm. Manchmal fragen dann andere Kinder ihre Eltern, welche Sprache wir sprechen. Max sagt dann oft ganz stolz: „Mein Daddy spricht Englisch“.

 

 

Wie gut kann Max Englisch und Deutsch sprechen? Kommt er manchmal durcheinander?

Ich glaube, Max Sprachkenntnisse sind insgesamt sehr gut. Er spricht von selbst zwar viel mehr Deutsch, ich habe aber das Gefühl, dass er mich auch immer versteht, wenn ich mit ihm Englisch spreche. Er kennt auch sehr viele Begriffe und Wörter auf Englisch. Wenn er versucht, nur Englisch zu sprechen, klappt das meistens nicht so gut. Da kommt er manchmal durcheinander: „Max put on your sweater, it´s cold.“ „No daddy, ich brauch nicht kein Sweater heute, es ist nicht cold.“ Ich habe mich schon mal gefragt, ob es anders wäre, wenn seine Mum eine andere Sprache sprechen würde. Ich glaube, ihre Sprache hat einen größeren Einfluss, weil sie insgesamt noch mehr Zeit mit den Kindern verbringt.

 

 

Benutzt Max für bestimmte Themen eine bestimmte Sprache?

Ich glaube nicht. Das kann ich so nicht sagen. Es kommt mir eher zufällig vor, wann er sich für welche Sprache entscheidet. Wie gesagt, manchmal benutzt er sogar französische Wörter, obwohl ich direkt mit ihm kein Französisch spreche. Nur kreolische Wörter hat er bisher noch nicht benutzt.

 

 

Haben Sie in der Sprachentwicklung Verzögerungen durch die Zweisprachigkeit bemerkt?

Ich hatte schon das Gefühl, dass Max etwas später angefangen hat zu sprechen als andere Kinder. So ähnlich ist es jetzt übrigens auch bei Helena. Sie spricht bisher nur ganz wenige Wörter wie zum Beispiel „Tatütata“. Von ihr habe ich bisher noch nichts Englisches gehört. Aber auch sie mag es, wenn ich ihr auf Englisch vorlese und scheint das auch zu verstehen.

Max hat von Anfang an beide Sprachen benutzt, aber es war immer mehr Deutsch als Englisch. Ich hatte aber nie das Gefühl, dass die Zweisprachigkeit ihn irgendwie beeinträchtigt hätte. Ganz im Gegenteil. Wenn er manchmal einzelne englische Wörter von mir nicht versteht, geht er zu seiner Mum und fragt nach, was sie bedeuten. Wir haben sehr engen Kontakt zu den Großeltern. Ich glaube das ist sehr wichtig für Max´ Sprachentwicklung. Und wenn wir zum Beispiel zusammen essen, hören wir Max genau zu und nehmen ernst, was er sagt. Manchmal fällt mir nur auf, dass Max noch nicht alle Buchstaben aussprechen kann. Zum Beispiel kann er noch nicht „Schnecke“ sagen.

 

 

Was aber dem üblichen Spracherwerb entspricht.

Ja? Das ist gut zu wissen. Seine Mum versucht ihn hier auch sehr stark zu fördern.

 

 

Wie waren Ihre eigenen Erfahrungen mit der Sprache, als Sie nach Deutschland kamen? Wie haben die Leute mit Ihnen geredet, als sie gemerkt haben, dass Sie kein Deutsch sprechen konnten? Was war dabei hilfreich oder störend?

Ich glaube, meine Erfahrungen sind nicht unbedingt mit den Erfahrungen anderer Migranten vergleichbar. Ich hatte den Vorteil, Englisch zu sprechen – und viele Leute hier sprechen Englisch und möchten dies vor allem auch üben. Außerdem war ich vor allem an der Uni unterwegs, wo sowieso viele Menschen aus anderen Ländern zusammenkommen und viel Englisch gesprochen wird. Die Leute sind mir meist sehr offen und neugierig entgegengetreten. Zusätzlich war mein Sohn David eine große Hilfe, der viel schneller Deutsch gelernt hat als ich

Am Anfang habe ich oft gefragt, ob die Leute langsamer sprechen können. Und ob sie hochdeutsch sprechen könnten- bei sächsisch habe ich kaum ein Wort verstanden. Nach einem Jahr konnte ich mich ganz gut auf Deutsch ausdrücken. Beziehungsweise ich konnte mich verständlich machen, vor allem mit Sätzen, die ich auswendig gelernt hatte und die ich in passenden Situationen angewendet habe. Ich hatte das Gefühl, dass die Leute es mögen, wenn man sich zumindest bemüht. Das hat mich ermutigt und ich habe dann immer mehr gelernt.

 

 

Sie haben erwähnt, dass ihr großer Sohn David sehr schnell Deutsch gelernt habe, als sie beide hergezogen sind. Was hat ihm geholfen?

Als wir hergezogen sind, war David 8 Jahre alt. Er wollte am Anfang nur CNN im Fernsehen anschauen, weil das der einzige englische Fernsehsender war, auch wenn es keine Sendungen für Kinder gab. Ich musste ihn fast zwingen, sich mal einen Cartoon auf Deutsch anzuschauen. Dies hat sich aber sehr schnell geändert, er begann sehr schnell, die Sprache zu verstehen. Dies lag vor allem auch an der Schule: David hat erst eine DaZ-Klasse besucht und die Lehrerin hat ihm sehr geholfen. Er war für 2 - 3 Monate in dieser Klasse und kam dann in die „normale“ Klasse. Übrigens wollte er dann nur noch deutsche Sendungen schauen und sprach auch fast nur noch Deutsch, außer wenn er sauer auf mich war. Dann hat er mich auf Englisch angeschrien: „I hate you.“ Er hat aber auch oft Sachen für mich übersetzt.

 

Vielen Dank für das Gespräch!

 

 

 

* Zur Wahrung der Anonymität wurden alle Namen geändert